Eleonoren-Gymnasium
Worms

Aus der Geschichte des Eleonoren-Gymnasium in Worms

Die Geschichte des Eleonoren-Gymnasiums Worms wurde in den vergangenen Jahrzehnten bereits mehrmals in den am Ende des Artikels stehenden Festschriften und Aufsätzen dargestellt.

Diese Veröffentlichungen dienten als Grundlage für den nachfolgenden Überblick „Aus der Geschichte des Eleonoren-Gymnasium Worms“.

Die Anfänge

Im frühen 19. Jahrhundert lag die Schulbildung in Rheinhessen in den Händen der Kommunen oder von Privatinstituten. In Worms wurden die Kinder aller Religionsbekenntnisse im Alter zwischen 6 und 14 Jahren im Elementarunterricht in sechs Klassen getrennt nach Geschlecht und Alter in der 1824 eingeführten „Kommunalschule“ unterrichtet.

Auch bei den „höheren Schülern“ wurde die Trennung der Geschlechter praktiziert, maßgebend waren die prägenden Rollenbilder der Zeit. Jungen aus der Mittel- und Oberschicht besuchten das Großherzogliche Gymnasium, während es für Mädchen drei konfessionell ausgerichtete Privatschulen gab:

  1. das evangelisch-unierte Institut Keim,
  2. das katholische Institut „St. Mariae der Englischen Fräulein“ und
  3. das Adler/Stohmannsche Institut für jüdische Mädchen.

Die Gründung und Entwicklung der „Höheren Töchterschule“

Im Jahr 1870 schlug das liberale jüdische Gemeinderatsmitglied Markus Edinger erneut die bereits 1859 diskutierte Einrichtung einer konfessionsneutralen „Höheren Töchterschule“ vor, was von der Oberschul- und der Kreisschuldirektion abgelehnt wurde.

Damit gaben sich die an einer Verbesserung der Mädchenbildung interessierten Kreise des Bürgertums jedoch nicht zufrieden. Ein aus 14 Wormser Bürgern bestehendes Kuratorium beantragte und gründete 1874 eine privat finanzierte und mit städtischen Zuschüssen ausgestattete erste überkonfessionelle Schule für „Höhere Töchter“, die anfangs am Fruchtmarkt (heute Weckerlingsplatz) untergebracht war. 1886 nahm die Stadt die Schule, die als vierte höhere Mädchenschule des Großherzogtums Hessen von der Landesregierung anerkannt wurde, ganz in ihre Obhut und finanzielle Verantwortung. Da die Zahl der Schülerinnen schnell wuchs und sowohl das Adler/Stohmannsche (1874) als auch das Keimsche (1886) Institut in der „Höheren Töchterschule“ aufgingen, erhielt sie 1891 für eine Übergangszeit (die 15 Jahre dauern sollte) bis zur Errichtung eines in Aussicht gestellten Schulneubaus zunächst in der Hagenstraße das Gebäude der ehemaligen Volksschule, welche ihrerseits in die neu errichtete Neusatzschule umziehen konnte.

Katholische Schülerinnen besuchten vorwiegend die Schule der „Englischen Fräulein“, während evangelische und jüdische Familien für die Ausbildung ihrer Mädchen die „Höhere Töchterschule“ bevorzugten. Jüdische Eltern sahen im Angebot der „Höheren Töchterschule“ eine Möglichkeit zur Akkulturation und zum Hineinwachsen in die bürgerliche Gesellschaft.

Die Einweihung des Schulhausneubaus am Wasserturmplatz

Nach zweijähriger Bauzeit wurde am 18. Oktober 1906 der Neubau der zehnklassigen „Höheren Mädchenschule“ am heutigen Karlsplatz festlich eingeweiht. Im Rahmen der Eröffnungsfeier konnte Oberbürgermeister Heinrich Köhler unter allgemeinem Jubel die bis zu diesem Tag geheim gehaltene Nachricht als Festüberraschung öffentlich mitteilen, dass die Schule den Namen der Großherzogin Eleonore tragen darf. Die nach ihr benannte Schule bekam sie jedoch erst 1912 anlässlich der Einweihung der Lutherkirche zu Gesicht.

Großherzogin Eleonore von Hessen und bei Rhein

Prinzessin Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich, geboren am 17. September 1871 auf Schloss Lich in der Wetterau, heiratete 1905 den drei Jahre älteren Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein. Dieser war wie der Deutsche Kaiser Wilhelm II. und der britische König George V. ein Enkel der britischen Königin Victoria und ein Schwager des russischen Zaren Nikolaus II. Großherzog Ernst Ludwig war musisch veranlagt, kulturell interessiert und förderte die Künste, insbesondere die Darmstädter Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in seiner Residenz Darmstadt.

Die Großherzogin widmete sich als „Landesmutter“ zahlreichen sozialen Aktivitäten und war wegen ihres bescheidenen Auftretens und ihres freundlichen, herzlichen, stillen und zurückhaltenden Wesens bei der Bevölkerung sehr beliebt.

Am 9. November 1918 wurde Ernst Ludwig durch hessische Arbeiter- und Soldatenräte abgesetzt. Die großherzogliche Familie zog sich in das Privatleben zurück und förderte weiterhin die Künste sowie soziale und karitative Einrichtungen.

Am 9. Oktober 1937 starb Ernst Ludwig nach schwerer Krankheit. Gut sechs Wochen später verunglückten Eleonore und weitere Familienmitglieder auf dem Weg nach England zur Hochzeit ihres zweiten Sohnes am 16. November 1937 in der Nähe von Oostende in Belgien bei einem Flugzeugabsturz tödlich.

Die Grabstätte der großherzoglichen Familie befindet sich auf der Rosenhöhe in Darmstadt.

Das Schulgebäude

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichte vor allem der durch die Lederindustrie bedingte wirtschaftliche Aufschwung großzügige Planungen und Baumaßnahmen in Worms. Westlich der Bahnlinie entwickelte sich die „Weststadt“ als modernes und sozial gehobenes Gebiet. 1890 wurde der neuromanische Wasserturm am damals höchsten Punkt der Stadt in Dienst gestellt, zunächst allein stehend wie der Wasserturm in Mannheim.

Da es dem neu entstehenden Stadtviertel an einem architektonischen Mittelpunkt fehlte, entschied sich die Stadtverordnetenversammlung für einen repräsentativ gestalteten Platz zu Füßen des Wasserturms. An diesen sollte sich im rechten Winkel die Eleonorenschule anschließen, die in einem historisierenden Mischstil aus Elementen der Gotik, der Renaissance und des Jugendstils erbaut wurde, wobei unterschiedlich farbige Baumaterialien (Basaltlava aus der Eifel, Sandstein aus dem Alsenztal und Schiefer aus dem Rheinischen Schiefergebirge) verwendet wurden.

Zusammen mit der Lutherkirche war somit ein städtebaulich und architektonisch bemerkenswertes dreitürmiges Ensemble entstanden. Leider wurde der schlanke Turm über dem Hauptportal der Eleonorenschule nach seiner Zerstörung im Jahr 1945 nicht wiedererrichtet.

Das Gebäude und seine innere Gestaltung (Klassenräume, Gänge, Treppenhaus, Fenster) entsprachen dem damals aktuellen Stand des Schulhausbaues, vergleichbar mit der 1904 fertiggestellten Westendschule.

Wilhelm Zimmer, Direktor der Eleonorenschule von 1916 bis 1945

In den fast dreißig Jahren seiner Schulleitertätigkeit wechselte das politische System viermal. Noch im Kaiserreich wurde er 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, als Direktor der 10-klassigen „Höheren Mädchenschule“ berufen. Im Jahr 1920, zu Beginn der Weimarer Republik, setzte er sich mit Erfolg ein für die Errichtung einer „Frauenschule“, einer zweijährigen Oberstufe ohne Abitur. Ab 1925 wurde parallel dazu die dreijährige „Studienanstalt“, eine Oberstufe mit Abiturprüfung und Studienberechtigung aufgebaut, sodass 1928 die ersten Eleonorenschülerinnen die Reifeprüfung ablegten.

Am 21. September 1921 zerstörte die schwere Explosion bei der BASF in Oppau in der Turnhalle der Eleonorenschule neben gut 200 Fensterscheiben das große Buntglasfenster, das nicht mehr wiederhergestellt wurde.

Am 22. und 23. September 1924 feierte die Schule mit mehreren festlichen Veranstaltungen ihr fünfzigjähriges Jubiläum.  Zu dieser Zeit war die Eleonorenschule eine der angesehensten Schulen im Lande Hessen.

Im Rahmen der Gedenkfeiern würdigte Direktor Zimmer die fünfzigjährige Tätigkeit des 1848 geborenen Hauptlehrers Samson Rothschild, der seit 1874 an der Eleonorenschule den israelitischen Religionsunterricht erteilte. 1939 musste Samson Rothschild im Alter von 91 Jahren Worms verlassen und zu seiner Tochter nach London auswandern, wo er wenige Wochen danach starb.

Dr. Fritz Bender, von 1946 bis 1961 Direktor der Eleonorenschule, beschreibt Oberstudiendirektor Wilhelm Zimmer als vorzüglichen Organisator, bescheidene und zuverlässige Persönlichkeit und lobt dessen ausgezeichneten Unterricht in Mathematik und Physik. In den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur habe Zimmer unter beklemmenden Umständen seine lautere Haltung bewahrt und sei ein untadeliger, gütiger und aufrechter Mensch geblieben.

Nicht zu verhindern war die Ausgrenzung der jüdischen Schülerinnen.

Die wissenschaftlich ausgebildete Frau entsprach nicht dem nationalsozialistischen Frauenideal. Nach 1935/36 wurde die Studienanstalt abgebaut und die Frauenschule von zwei auf drei Jahre verlängert. Das Abitur konnte nur nach der hauswirtschaftlichen Form abgelegt werden, die nicht zum Universitätsstudium berechtigte.

1938 musste auf politischen Druck hin die katholische Privatschule der „Englischen Fräulein“ aufgelöst werden, die Eleonorenschule war damit die einzige höhere Schule für Mädchen in Worms.

Während des Zweiten Weltkriegs mussten die Schülerinnen Umverlegungen des Unterrichts und Hilfseinsätze in Kauf nehmen. Bei Fliegerangriffen in den Jahren 1944 und 1945 wurde auch das Schulgebäude beschädigt und der Schulturm zerstört.

1945 – 1963: Die Eleonorinnen in der Oberrealschule und der Neusatzschule

Am 1. Oktober 1945 durfte der Unterricht mit Genehmigung der französischen Militärregierung wieder aufgenommen werden. Die Eleonorenschülerinnen konnten ihr Schulgebäude am Karlsplatz jedoch nicht wieder beziehen, da Stadtverwaltung und Polizei dort Dienststellen einrichteten. 1948 wurde die Turnhalle zum Roxy-Kino mit 616 Sitzplätzen ausgebaut, im heutigen Raum des MSS-Leiters die „Roxy-Bar“ eingerichtet.

Zunächst fand der Unterricht im Wechsel mit der Oberrealschule in deren Gebäude statt. Die ersten Jahre nach 1945 waren hart, strapaziös und entbehrungsreich. Die Ernährungslage war schlecht und es mangelte an Heizmaterialien, Lehrbüchern und vielen anderen Dingen.

Am 1. April 1951 konnte die Eleonorenschule in die Neusatzschule umziehen, was die räumliche Situation verbesserte und einen normaleren Unterricht ermöglichte.

Auch die Struktur der Schule wandelte sich: Der Frauenschulzweig wurde abgebaut, in einem neusprachlichen oder einem mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig konnte nun ein Vollabitur erworben werden.

1960 ging die Schule in staatliche Verwaltung über und hieß seitdem „Staatliches Eleonoren-Gymnasium“. Das Land Rheinland-Pfalz übernahm die Personalausgaben, die Stadt fungiert noch als Baulastträgerin.

Seit 1961 liefen  Planungen für den Umbau des Gebäudes, der vor einer Rückkehr der Schule an den Karlsplatz erforderlich war.

1963 – Rückkehr an den Karlsplatz und weitere Entwicklung der Schule

Am 23. April 1963 war es soweit: Die Eleonoren zogen wieder in ihr angestammtes Heim ein.

Da noch nicht alle Baumaßnahmen vollendet waren, konnte erst am 26. Juni 1964 mit einem Festakt die Wiedereinweihung der Schule und die Einweihung der Turn- und Gymnastikhalle mit Lehrschwimmbecken gefeiert werden. Das ehemalige Roxy-Kino wurde zur Aula mit einer neuen Bühne.

1969 kam ein sozialwissenschaftlicher Zweig mit abschließender allgemeiner Hochschulreife hinzu.

Da die Zahl der Schülerinnen und der Klassen ständig anstieg, machte die unerträglich werdende Raumnot einen Erweiterungsbau unumgänglich. Nicht zuletzt, weil ab dem Jahr 1971 wegen der Einführung der Koedukation die Schülerzahlen nochmals stark zunahmen. Allein im Schuljahr 1972/73 waren 271 Sextaneranmeldungen zu verzeichnen, die auf sieben Klassen aufgeteilt wurden.

1975 begann die Einführung der Mainzer Studienstufe (MSS), eine Neuorganisation der gymnasialen Oberstufe, die weitere räumliche Veränderungen notwendig machte. 1975 begannen die Bauarbeiten für den Erweiterungsbau, der bereits 1976 bezogen werden konnte. In den 1980er Jahren zeichnete sich ab, dass eine Generalsanierung des gesamten Gebäudekomplexes unausweichlich war, die dann tatsächlich termingerecht innerhalb des Schuljahres 1991/92 erfolgte und Erweiterungen, Anbauten sowie die Umgestaltung der Aula umfasste.

Der Unterricht im Schuljahr 1991/92 fand an der Kerschensteiner Hauptschule in Horchheim, der Alten Weinsheimer Schule, der Alten Hochheimer Schule und in der Berufsbildenden Schule im Bildungszentrum (BIZ) statt. Organisatorisch und stundenplantechnisch gesehen, vollbrachten Schulleitung, Stadtverwaltung und alle am Umbau Beteiligten eine Meisterleistung. Die Lehrkräfte pendelten ständig zwischen den vier Standorten und der Turnhalle hin und her, manchmal mehrmals am Tag.

Seitdem gab es keine weiteren markanten baulichen Veränderungen am Schulgebäude.

Die mittlerweile 50 Jahre alte Turn- und Gymnastikhalle ist spürbar in die Jahre gekommen und bedarf zur Gewährleistung eines zeitgemäßen Sportunterrichts einer gründlichen Sanierung.

Das mehrfach erweiterte und modernisierte altehrwürdige Gebäude bewahrte sich seit mehr als 100 Jahren seine besondere Atmosphäre, Ausstrahlung und Attraktivität.

Altes Gemäuer und moderner Unterricht schließen sich nicht aus. Vielfältige Kompetenzen werden vermittelt, Akzente bei den Fremdsprachen, der Mathematik oder den Naturwissenschaften gesetzt. Ein breites Angebot in den Bereichen der Musik, des Theaters, der Kunst, des Sports oder bei Schülerwettbewerben eröffnet unterschiedlichste  Mitwirkungsmöglichkeiten. Kontakte zu Partnerschulen in Europa und in der Volksrepublik China, Klassen- und Studienfahrten oder die Teilnahme am europäischen Comenius-Bildungsprogramm weiten den Blick. Vielseitig sind die Beratungs- und Förderprogramme und begabte, leistungswillige Schülerinnen und Schüler können die Schulzeit in der Mittelstufe um ein Jahr nach dem BEGYS-Modell verkürzen.

Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck wünschte im Jahr 2005 dem Eleonoren-Gymnasium in Worms zur 100-Jahrfeier des Schulgebäudes, „dass in den traditionsreichen Mauern noch lange lebendige Wissbegier, engagiertes pädagogisches Handeln und Freude am gemeinsamen Arbeiten ihren Platz haben“.

Hans-Georg Herrnleben

Quellen

1874-1974 Staatliches Eleonoren-Gymnasium Worms (Hrsg.). Festschrift, darin:

Jahresschrift 1991 Eleonoren-Gymnasium Worms (Hrsg.), darin:

1996 Eleonoren-Gymnasium Worms (Hrsg.). Unser Schulhaus wird 90 Jahre alt. Festschrift, darin:

Eleonoren-Gymnasium Worms (Hrsg.). Festschrift zur 125-Jahrfeier (1999), darin:

Der Wormsgau, 21. Jahrgang, 2002:

Eleonoren-Gymnasium Worms (Hrsg.). Festschrift zur 100-Jahrfeier des Schulgebäudes im Jahr 2005, darin: